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1. ... vom Rennsteig nach Erfurt

Es gibt den wunderschönen Begriff, der sich STERNSTUNDE nennt. Ein Begriff den ich für diese frühe Morgenstunde verwenden möchte. 

Ein Begriff für den Moment, der meinem Leben Impulse geben möchte. Was ist geschehen? Ein zig Jahr alter Gedanke, tief verborgen in der Defizitkammer meiner linken Gehirnhälfte, wird Realität. Diese fabelhafte Realität begann eigentlich schon im Januar, Steinböcke haben da Geburtstag. Ich hielt mein eigenes Geburtstagsgeschenk, einen Pilgerausweis, in den Händen. Schon die reine Vorfreude lässt die Gedanken hüpfen.

 

Es ist ein früher Montagmorgen, als ich letzte Utensilien verpacke. Und, dann geht es los. Die netten Verkäuferinnen im Nahkaufladen sind die einzigen die meine Abfahrt bemerken. Frische Brötchen und luftgetrocknete Knacker müssen noch sein. In der Nacht hat ein Gewitter die Luft angenehm abgekühlt und ich rolle hinunter nach Stützerbach. Der erste Anstieg führt mich vom Meyersgrund über das schöne Rödeltal hinauf zur Salzmannstraße. Diese Straße wurde schon im neunzehnten Jahrhundert prophylaktisch für die heutige Tour angelegt. Natürlich lädt auch der Salzmannplatz zu einer ersten Pause ein. 

 

Julius Theodor Salzmann erbaute, sicher nicht alleine, diese Abfahrt vom Rennsteig in Richtung Elgersburg. Oberhalb vom Schloss und Dorf präsentiert sich das Hotel am Wald in idyllischer Lage. Die Chefin ist eine Freundin aus Kindertagen und lädt zum Kaffee ein. Ein Foto von meinem Aufbruch kursiert kurze Zeit später im sozialen Netz. Birgit! Das Schloss Elgersburg hat eine Tausendjährige Geschichte und war auch fünf Jahre mit meiner Geschichte verwoben. Traurig liegt es nun mit den geschlossenen Einrichtungen da. Dornröschen fällt mir ein.  (Heute weiß ich, dass es wieder wach geküsst wurde.) https://schloss-elgersburg.de/ 

 

Der Thüringer Wald liegt nun hinter mir und das Tal der Wilden Gera vor mir. Die Orte heißen Geraberg, Angelroda und Plaue. Hier tue ich den Abstecher zum Kunstwanderweg in Kleinbreitenbach. Schönes und skurriles bietet sich meinem Auge. Das fünf Meter hohe abgebrannte Streichholz erinnert mich an eine Kunstausstellung, die ich in Jugendtagen besuchte. Im Eingangsbereich hing ein überdimensionales blaues Bild mit einem orangen Punkt. Ich fragte den Galeristen, ob dieses Bild auch Kunst sei? Der Kunstmensch fragte nach meinen Namen und sagte dann wörtlich: „Herr Salzmann, dieses Bild wird das einzige Bild sein, an das sie sich in 30 Jahren erinnern werden.“ Recht hatte er! Mit diesem Aha-Effekt ging in meinem Hirn ein Licht auf und denke über manchen genialen Zug in der großen Kunst nach. Der Kunstwanderweg lohnt wirklich, nur schade, dass das liebevoll gestaltete Künstlercafé „Land-Art“ montags geschlossen hat. Auch ein Grund zum Wiederkehren. http://www.kunstwanderweg-kleinbreitenbach.de/ http://www.cafe-landart.de/   

 

Zurück an der Gera, wird der Tag zum Hochsommer und Kathrin ruft an. Sie kann schon 14 Uhr zum Feierabend streiten. Meine Erfurter Freundin arbeitet übrigens in einem geschichtsträchtigen Haus, dem Rathaus am Fischmarkt. Für die nächsten zwei Stunden muss ich das bummeln auslassen. In Arnstadt treffe ich zum ersten Mal auf die Jakobsmuschel, die mich über Ichtershausen, Molsdorf, Bischleben nach Erfurt begleitet. Es ist der Thüringer Jakobsweg, der von Erfurt nach Coburg führt. Ich benutze ihn umgekehrt. Ab dem Barockschlösschen Molsdorf heißt der Weg auch Bachstelzenweg. Pünktlich um 14 Uhr stehe ich vor dem ehrwürdigen Portal am Fischmarkt. Hier standen auch schon Napoleon und der russische Zar. Kathrin und mich führt der Nachmittag in das idyllische Bachstelzencafé. Chillen und tratschen, Erdbeeren mit Eis und Kaffee. 

 

Im Augustinerkloster erhalte ich den Schlüssel zur Georgenburse, der Pilgerherberge des Klosters. Dieses historische Gebäude liegt direkt an der Gera und nur wenige Schritte vom Wenigermarkt entfernt. Die Zelle, Luther lässt grüßen, ist einfach und sauber. http://www.augustinerkloster.de/ Übrigens wünscht mir ein Geistlicher in Soutane, vielleicht auch Mönch, das erste Buen Camino.

 

Duschen, Jeans und Hemd an, dann gehört das sommerliche Erfurt mir. Der Gang über die weltberühmte Krämerbrücke muss sein, hier betrete ich die Via Regia, die Straße der Könige, seit tausend Jahren auch Pilgerweg nach Santiago. Der Goldene Schwan darf mich zum Abendessen einladen. Es gibt Pottsuse vom Wildschwein, Bier und die ersten Zeilen in das Tagebuch. Zum perfekten Abend gehört gelungene Livemusik am Gera Ufer.

 

Fazit: Ein schöner Tag und ich möchte wissen wie es morgen weitergeht. Es ist alles so spannend!

 

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