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2. ... von Erfurt zur Wartburg

Aus individualpsychologischer Sicht, habe ich heute besonders klare Vorstellungen von Bildern. Scheinbar leide ich nicht an den Mangel von Visionen. Schon bevor ich den Drahtesel besteige, sehe ich Getreidefelder mit Mohnblumen versetzt und dahinter die Wachsenburg. Und, ich sehe Kirschbäume. 

 

In der Fleischerei am Domplatz bin ich um 7 Uhr, der erste Kunde. Darum darf ich mich auf frischgebrühten Kaffee freuen und auf Gehacktesbrötchen.  Im Laden gibt es Spargelfiletpastete im Angebot. Neugierig auf Spargelfilets frage ich nach und bekomme eine Mortadella mit grünen Spargelstücken zu sehen. Über diese Art der Kreativität müssen die Verkäuferin und ich herzlich lachen. Ich würde ja gerne weiter flirten, aber ein wunderbarer Tag wartet auf mich. Übrigens habe ich, unter dem urigen Gebälk der vielen Jahrhunderte, gut geschlafen. Hatte eine Einzelzelle mit Dusche und WC auf dem Gang. Schlicht, aber vollkommen ausreichend. 18 €.

 

Heute wird der heißeste Tag des Jahres. (bis dato, ich sollte später noch heißere erleben) In der nahen DM ergattere ich noch ein Fläschchen mit der Aufschrift: Lichtschutzfaktor 30. Ich radle los. Über Möbiusburg geht es in die Aro-Stadt Neudietendorf und ins Freudental. Hier erfüllen sich meine Visionen. J Ein Kirschbaum mit zuckersüßen Kirschen lädt mich zum zweiten Frühstück ein. Herzkirschen! Im Hintergrund gibt es Weizenfelder mit Mohnblumen und es ist die Wachsenburg zu sehen. Blauer Himmel. Schon wieder ein Kirschbaum und noch einer. So komme ich nur langsam voran. Bis Mühltal gibt es viel Fachwerk, alte und neue Mühlen, immer eine oder zwei oder alle drei der Drei Gleichen im Blick und es gibt die herrlichsten Kirschbäume. Denke an meinen Magen und an den Dreinschlag. Es begab sich, dass in einer lauen Sommernacht anno 1231 ein schweres Unwetter schwere Blitze schickte. Einer traf die Burgen mit einem Schlag und setzten sie in Flammen. Tja, die Drei Gleichen, bekannt für lodernde Brände, grausame Raubritter, entführte Königsnichten und mittelalterliche Bigamie. All das wird jedes dritte Jahr gefeiert, ein Tipp für meine Defizitkammer. http://www.dreinschlag-drei-gleichen.de/dreinschlag-2017/

 

36 Grad, und es wird noch heißer, das Leben kommt mir gar nicht hart vor. Das Lied der Frau Humpe ist bis Gotha volles Programm. Recht staubig geht es direkt an der A4 entlang.  Gotha erreiche ich über den Tierpark. Die Residenzstadt hat ein Stein im Frieden, upps, ein Schloss Friedensstein. Nur friedlich im Sinne von ruhig ist es nicht. Bagger sind mit Presslufthammern im Wettstreit. Trotz Lärm, kann ich in einem Park in der Nähe schwarze Eichhörnchen beobachten. 

 

Im Wirken der Baumaschinen habe ich den Weg verloren. Da ist das Navigationsgerät wertvolle Hilfe. Es findet in den Wald, dann in die glutheiße Heide im verwilderten Truppenübungsplatz. Endloser Kolonnenweg durch heilende Wunden in der Landschaft. Absolute Einsamkeit oder absolutes Alleinsein. Schön. Links zieht der Inselberg langsam nach Osten. Dann treffe ich doch noch einen Menschen, ein Schäfer betreibt mit seiner Herde Landschaftspflege. Wir winken einanderzu. Hin und wieder sehe ich die Muschel, treffe auf Gedenksteine aus den Jahrhunderten. Einer gedenkt der Tragödie von Mechterstädt. Dunkel kommt der Geschichtsunterricht wieder. 15 Thüringer werden von den Putschisten auf der Flucht erschossen. Von vorne, aus der Nähe und in die Stirn! Die Richter sprachen Freisprüche aus, ganz Deutschland ging auf die Barrikaden und der Kappputsch scheiterte. Ein kurzer Sieg für die Demokratie. Hier war das also.

 

Wenig später kommt meine ganzheitliche Betrachtung von Körper und Geist ins Wanken. Hier gibt es zwei Möglichkeiten, entweder ich folge der Muschel hinauf in die Hörselberge und freue mich auf das Hörselberghaus, oder rolle bequem durch den Zapfengrund weiter. Mein Geist will hoch hinaus und mein Körper sagt: „NEIN!“

 

So geht es über Wutha-Farnroda nach Eisenach direkt zum Italiener mit leckeren Eis. Was vier Kugeln eisige Leckerei bewirken können, soll sich bald zeigen.

 

Die an den Hörselbergen gesparten Körnchen Wadenkraft werden erbarmungslos verbraucht. An den Häusern von Bach und Reuther vorbei suche ich mir den steilsten Anstieg zur Wartburg heraus.  Wenigstens habe ich im dichten Wald Schatten. Der Pfad endet an der Eselstation und ich habe ein Deja vu. Max ist immer noch da! 

 

Fast fünfzig Jahre liegen zwischen den Bildern, Max ist im Fell dunkler geworden und ich weiß jetzt wer der kleine Junge neben mir ist :-) 


Fast fünfzig Jahre ist es her, seit meinem letzten Besuch hier. Der kleine Junge von damals kann sich noch dunkel erinnern, und er ist mit dem Max zur Burg hinauf. Ich komme mit dem Betreiber ins Gespräch. Seit 147 Jahren bietet das Familienunternehmen seine Dienste an. Das mit den Namen bekomme ich auch genau erklärt. Heute bin ich für Max eindeutig zu schwer. Wenn ich aber schon mal beim Buben von damals bin, kommen weitere Momente wieder. Bei solchen Ausflügen habe ich gerne in den Trabant 500 gebrochen und etwas angestellt habe ich auch immer. Auf dem Possen verbummelte ich die neue Strickjacke, im Lokal auf der Bastei verteilte ich das große Glas Fassbrause auf dem Tisch, in Spindlermühle ging ich als Sechsjähriger auf Entdeckungstour und löste damit eine große Suchaktion aus. Meine Eltern hatten es wohl nicht leicht mit mir. 


Ich darf mein Rad in der Obhut der Eselei lassen und stampfe den Grautierweg steil hinauf. Die Burg ist fest in koreanischer Hand. Ältere Asiaten sitzen im Schatten, wedeln sich nicht vorhandene Kühlung zu. Mein Koreanisch ist auf null Wörter begrenzt und so kann ich der Führung nicht so richtig folgen. Darum gibt es etliche Meter Deutscher Geschichte auf eigene Faust. 

 

Begeistert bin ich später vom Diakonissenhaus. Die historischen Mauern spenden angenehme Kühle und ich werde von den Schwestern herzlich aufgenommen. Die saubere Pilgerherberge habe für mich alleine. Karlsplatz 27/29 99817 Eisenach Tel.:03691/260-0 Übernachtung 5 €/Frühstück 5 € (gebt bitte mehr)

 

 

Spaziergang in Eisenach

 

Beim Italiener nebenan im Garten (übrigens der Selbe, der mich am Nachmittag mit dem Eis verwöhnte) wähle ich die Nummer 22 in der großen Version und treffe eine gute Wahl. Später wird der Himmel über Eisenach mit schwarzen Wolken belegt. Noch später flackert die Atmosphäre und es wird stürmisch. Kurz vorm Wolkenbruch bin ich in der Herberge. 

 

Fazit: Für heute habe ich genug erlebt und es ist erst der zweite Tag.  

 

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