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23. ... Auxerre

Es ist Sommer! Und, Auxerre muss auf jeden Fall beäugelt werden! 

Habt ihr schon einmal von Cadet Roussell gehört? Der Gerichtsvollzieher lebte im 18. Jahrhundert hier und war für seine Albernheiten verschrien. Ein Spottlied über ihn wurde zur französischen Revolution so bekannt wie die Marseillaise. In Auxerre gibt es eine orangefarbene Linie mit Bronzeplatten quer durch die Stadt, benannt nach dem seltsamen Büttel und ich kann auf einfachste Weise die Stadt in 67 Stationen erkunden. Diese Idee finde ich ganz fabelhaft und Cadet Roussell findet das gewiss auch. 

 

Den ganzen Vormittag folge ich den Lauf der Geschichte. Von den Karolingern bis heute wurde die Stadt nie mit Kriegen oder Feuerbrünsten kontrastiert und ist geatmetes Mittelalter. Sagenhaft! Aus der Geschichte treten Details hervor, die ich nie entdeckt hätte. Hinter die bunten Fachwerkfassaden spinne ich schnurrige Geschichten, über Helden die es nie gegeben hat. Eine historische Fülle, in der meine Erfindungsgabe zu schwirren beginnt. Lauschige Cafés laden dazu förmlich ein. Vielleicht sollte ich ein Buch schreiben und meine Phantasien darin auslassen, wenn ich schon mal am Stein der Templer bin oder am Pavillon der Armbrustschützen. Da entwickelt sich ein geistiges Märchenland zwischen Dichtung und Wirklichkeit. Hola hopp! 

 

Die Weinberge der Chainette sind die ältesten in Frankreich und gehören (wie ich entdecken kann) zu einem Krankenhaus. Patienten der Psychiatrie hegen und pflegen die jungen Trauben. Sie treten damit das Erbe der Ordensbrüder der Abtei von Saint-Germain an und fertigen einen fabelhaften Côte d'Or. Das ist sicher eine bemerkenswerte Therapie. Ein Fläschchen erwerbe ich im dazugehörigen Verkaufsraum und diene vielleicht dem guten Zweck.  Als ich nach ein paar Stunden in der kühlenden Kathedrale bin, spende ich im Angesicht der Jungfrau Johanna ein paar Kerzen. Für alle Lieben, ferner für alle Idioten und für mich und gleichzeitig für meine Zukunft. Danach sichte ich die Gilde der Pflichten. Auxerre bringt mich ins Schwärmen. Ich folge brav zu allen 67 Stationen und kriege langsam Farbe ins Gesicht.

 

Den Nachmittag verbringe ich auf einer Insel zwischen Canal du Nivernais und Yonne. Die Füße sind im Wasser und der Rest liegt arbeitsscheu in der Sonne rum. Wieder wird inmitten der Stadt Kajak gefahren und Boccia gespielt. 

 

An der Rue Saint Pelerin gibt es einen kleinen Gemüsemarkt der mir Zucchini, Paprika, Kirschtomaten, Schalotten, Knoblauch und eine gelbe Aubergine verkauft. Tomatenketchup, Olivenöl und Gewürze finde ich in der Gemeinschaftsküche. Einen kleinen Schluck edlen Chablis zum Ablöschen und einen etwas größeren Schluck für den Durst habe ich ja noch in meinem Rucksack. Bald duftet eine große Pfanne nach einem Ratatouille a la Ulli und bald bin ich nicht mehr alleine in der kleinen Küche. Ein französisches Pärchen schaut mir wissbegierig über die Schulter und sie schnuppern anerkennend am Odeur, während sie die Tiefkühlpizza in die Röhre schieben. Im kleinen Innenhof wird der Tisch für Drei gedeckt und ich spendiere das Fläschchen Côte d'Or und gebe vom viel zu vielen mediterranen Gemüse ab. Ich kann einfach keine kleinen Portionen kochen! Auch das Pärchen versteht das Schlemmen. Glückliche Kühe von üppigen französischen Wiesen sind wohl verantwortlich für den kräftigen Käse, den es dann auch noch gibt. Nach der ersten Flasche wird noch eine Zweite (Keine Ahnung woher!) besorgt und dekantiert. Die Verständigung wird trotz aller Sprachlücken immer besser. Zum Glück muss ich nachher kein Doppelstockbett mehr hinaufhangeln. Leicht beschwipst wünsche ich mir eine gute Nacht.

 

 Fazit: Ich lege einen Ruhetag ein ... Denn ich weiß, das tut mir gut, so gut.


Die Tage 1 - 22 findet ihr hier: https://www.ulliunterwegs.de/jakobsweg/


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Kommentare: 2
  • #1

    Angelika (Sonntag, 12 März 2017 18:32)

    Schöne Geschichte Ulli.

  • #2

    Ulli Salzmann (Sonntag, 12 März 2017 20:56)

    Dankeschön!