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10. ... in Trier

Leseratten-Kuscheltag!

 

Mir ist bis heute unklar, warum ich das damals tat. In den 80zigern gab es in der DDR die Taschenbibliothek der Weltliteratur und einige Jahre lang habe ich die monatlichen Veröffentlichungen gesammelt. Aus einer Laune heraus! Heute stehen fast vierzig kleine handliche Bücher im Regal. Mal abgesehen von Lederstrumpf und Gullivers Reisen sind fast alle ungelesen.  Es war einfach bis dato zwecklos. Auf allen Reisen versuchte ich mich an einem Werk der Weltliteratur. Dieses Mal dachte ich mir „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Gabriel Garcia Márquez passt vom Titel und der Situation besser als „Die Galoschen des Glücks“ von Hans Christian Andersen. Das Buch ist mit 420 engbeschriebenen Seiten nicht allzu schnell wegzulesen. Als Einschlafhilfe hatte es sich schon bestens bewährt.

Gestern habe ich mich im Kolpinghaus einquartiert. http://www.kolpinghaus-warsberger-hof.de/ 24 € Ü/F und ich teile das Zweibettzimmer mit einem angehenden Bankkaufmann aus Kischinau in Moldawien. Der junge Mann macht ein Praktikum im nahen Luxemburg mit Nadelstreifen und Sonnenbrille. Das Kolpinghaus selber ist im historischen Warsberger Hof verankert und hat im gemütlichem Innenhof eine Cafeteria mit bequemen Korbsesseln.

Gestern Abend suchte ich Buch und Brille und las plötzlich diese zwei unglaublichen Sätze: „Als im sechzehnten Jahrhundert der Seeräuber Francis Drake Riohacha überfiel, erschrak Ursulas Urgroßmutter dermaßen, dass sie die Nerven verlor und sich auf den brennenden Herd setzte. Die Brandwunden machten sie für den Rest des Lebens zur untauglichen Ehefrau!“ Ihr werdet es nicht glauben, zwei Bier später ist es weit nach Mitternacht und ich habe über hundert Seiten Weltliteratur intus.    

 

Die ersten Stunden des Tages gehören der Stadt und gleich nach dem Frühstück marschiere ich los. Altstadt, Porta Nigra, Liebfrauenkirche, Kreuzgang freuen sich über meinen Besuch. Im Dom ist gerade Kapitelsamt, dass heute Pontifikalamt ist. Natürlich weiß ich das nicht, als ich mich auf die Kirchenbank setze. Später klärt mich die freundliche Schwester im Dom Amt über die Feinheiten der katholischen Messen auf. Wir kommen ins Gespräch, weil der Pilgerausweis vom Trierer Bistum ausgestellt wurde. Sie erklärt: Kapitelsamt ist die Messfeier eines Kapitels (Vikar oder der Ordensbrüder), aber heute kam der Impuls des Tages als Messfeier des Bischofs und der Mitra daher. Es war Bischof Dr. Stephan Ackermann, der mir die Oblate reichte. Die nette Dame übrigens, ist im letzten Jahr nach Vézelay gepilgert und wird im September weitergehen. Sie gibt mir etliche Tipps mit auf den Weg. Vor dem Dom werden Sitzkissen ausgelegt. 

 

Der Meister von Fahrrad-Heidemann besieht sich mein leidendes Fahrrad und verspricht Abhilfe. Die Werkstatt befindet sich in der Saarstraße und ist damit perfekter Startort, falls man zum einzigen Apostelgrab auf deutschen Boden pilgern möchte. Ich möchte. 

In der Basilika St. Matthias wird das Grab des Apostels Matthias verehrt und drumherum ist ein sehenswertes Benediktinerkloster zu sehen. Richtig schön ist der Piusbrunnen, der Pilgerbrunnen im Innenhof. Hier wird die Entfernung nach Santiago mit 1390 km angegeben. Ich vermute Luftlinie!

An der Mosel lerne ich, dass im nahen Luxemburg Wasserbillig ist und sehe Kormorane an der alten Römerbrücke. Zurück in der Altstadt genieße ich noch einmal die Kühle des Kreuzganges und finde die Konstantinbasilika. Von Art und Geschichte könnte ich in Rom sein, nur ist Trier viel gemütlicher.

Apropos Gemütlichkeit: „Probier's mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit jagst du den Alltag und die Sorgen weg. Und wenn du stets gemütlich bist und etwas appetitlich ist, dann nimm es dir egal von welchem Fleck!“ (Quelle: Balu im Dschungelbuch)

Auf dem Dom-Freihof, da fanden gestern spannende Bocciaspiele statt, ist heute Leseratten-Kuscheltag. Überall liegen riesige Kissen rum und Bücher gibt es auch. Klar kuschle ich mich hin und erlebe einige Seiten Weltliteratur. J

Wenn Trier nicht so weit weg wäre, würde Fahrrad-Heidemann zur Werkstatt meines Vertrauens aufsteigen. Beide Bremsen entlüftet, neue Belege hinten und neue Kugeln im Tretlager. Faire 62 € muss ich dafür berappen. http://www.fahrrad-heidemann.de/

Für den kleinen Hunger macht mich auf dem Rückweg ein Döner schöner und noch später liege ich faul am Dom herum. Dabei habe ich noch gar keinen Plan für den großen Hunger.

 

Das wäre jetzt auch geklärt! Im Albarone gibt es die Salatschüssel mit Garnelen, dazu Moselwein und den Grappa aufs Haus. 

 

Fazit: Ein Ruhetag kann richtig gemütlich sein! 


Alle Tage findet ihr hier: https://www.ulliunterwegs.de/jakobsweg/


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