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Mohnblumentour zur Unstrut



Tag: 1 Rennsteig - Nebra

 

Und so verging ein Tag, vergingen zwei Tage, vergingen dieses Jahr viele Tage bis ich mal … 😊 Es ist Montagmorgen, es ist fünf Uhr und ich kremple gerade tatendurstig die Arme hoch. Was natürlich Quatsch ist, weil ich immer völlig nackig erwache. Das Juniwetter ist gerade völlig übergeschnappt und regnet fröhlich vor sich her. Perfekt, denke ich, packe ein paar Sachen in meine Radtaschen, und starte meine erste größere Tour des Jahres. Bei aller ästhetischer Empfindsamkeit, Regen kann manchmal ganz schön feucht sein. Auf der Abfahrt nach Stützerbach führe ich ein diskursives Gespräch mit mir über meinen Gemütszustand und andere Kleinigkeiten. Wasser von oben, Waser von unten, befeuchten meine labile Seele. So wie in diesen mulmigen Liedern, wenn man die Texte rückwärts hört, singen sie in meine Ohren: „Satan loves you!“ in etwa so. Oh Mann! Der Plan ist, den Ilmradweg bis Stadtilm radeln und über Grießheim nach Arnstadt zum Geraradweg zu wechseln. In Ilmenau denke ich um. Über die Seen, über Roda und aufgeweichte Radwege radle ich nach Elgersburg, nur um etwas an der Bahnlinie zu bleiben. Der Regen wird heftiger. In Plaue habe ich kategorisch die Schnauze voll, aber die Bahn hat kein Mitleid mit mir. 40 Minuten bis zum nächsten Zug. Also weiter durch den Juniregen nach Arnstadt. Mit dem Hopperticket geht es nach Erfurt und ich kann die Regenjacke für kurze Zeit ausziehen. In Erfurt ist alles anders, als es meine Erinnerungen an den Geraradweg zulassen. Wegen der BUGA ist bis an den Stadtrand, der Weg eine Umleitung. Ich bin nun auf dem Land und auf dem Land ist es viel schöner als vermutet. Klärchen lässt meinen Schatten sehen, Kirschen gibt es frisch vom Baum und die Millionen Mohnblumen werden der Tour den Namen geben. Begeistert bin ich vom Haßlebener Riet. Hier bin schon an der Unstrut. Übrigens gibt es nach dem Haß- gleich ein Wundersleben und ich darf die Regensachen an und nach kräftiger Husche wieder … Das Kloster St. Wigberti in Werningshausen ist ein wunderschöner Ort, der auf alle Fälle beguckt werden muss. Die Landschaft verbindet sich immer mehr mit den dunklen Wolken. Die Unstrut hat Hochwasser. In Sömerda auf der überdachten uralten Holzbrücke, stehe ich nun und lasse den Starkregen runterprasseln. Hier bin ich schon 80 Kilometer im Sattel und möchte mich mal, im Namen meines Hinterns, bei meinen Brooks bedanken. Völlig durchnässt kommen zwei Weimarer Mädels hinzu. Sie wollen noch bis Naumburg und von dort mit dem Zug zurück. Kleine Tagesrunde, sagen sie. Ich google schon mal sicherheitshalber den Weg zum Bahnhof und erachte das Abbrechen. Der Regen lässt nach, die Mädels verschwinden und ich fahre zum Salzmannhaus. Wenn ich schon Salzmann heiße, will ich auch mein Haus sehen. Nach 10 Kilometern heftigen Demmelns, habe ich die Mädels ein und weiß schon, dass Tempo ist nichts für mich. Leichtsinnig überhole ich. An der nächsten Steigung aber … eine lacht mir noch zu, ich sollte doch mal „Thüringer Bergziegen“ googeln. Schade, die Wasserburg in Heldrungen ist montags immer verriegelt und verrammelt. Pause. In Artern sind 115 starke Radfahrkilometer Geschichte. Noch 33 km bis Nebra und die Luft ist langsam raus, aber das Klima wird immer besser. In Memleben wird der Unstrutdamm gerade von einer Schafherde freigemäääht und ich schaue den Tieren bei der Arbeit zu, die zwei Bergziegen radeln hurtig vorbei. Punkt 17 Uhr bin ich im Schlosshotel in Nebra. 150 saustarke Kilometer, nach meiner langen Krankheit, meine längste Radtour ist geschafft. Ich bin so stolz. Der Kellnerin kaufe ich nach dem Abendessen zwei Bierchen ab und mache noch eine Wanderung durch die Felsenlandschaft. Über dem Abgrund finde ich ein idyllisches Plätzchen und schaue dem Sonnenuntergang zu, dass es eine Pracht ist.


Tag: 2 An und auf der Unstrut

 

Wer an Schlossgespenster glaubt, fühlt sie und wird geweckt, bei mir war es aber nur Vanessa die Schlossfliege die nervend … 😊 Ich müsste lange suchen, wollte ich diesen Dienstag in irgendeiner Form kritisieren. Der zweite Tag ist klimatechnisch sehr entspannter, sehr viel entspannter und die wahren Schlossgeister haben ein gutes Frühstück in den Spiegelsaal gezaubert. Kurz nach Neun hole ich meinen Drahtesel aus dem Stall und wir machen weiter mit der Tour. Bis Karsdorf geht es an knorrigen Weiden, ganz roten Mohnblumen und verschlafenen Dörfern vorbei. Das die Unstrut viel Wasser hat, ist ein Sachverhalt wie jeder andere. In der Kanustation wird mir versichert das alles schick ist und mein Drahtesel darf sich die nächsten Stunden ausruhen. Bisher war ich an der Unstrut, jetzt bin ich auf der Unstrut. Die naturhafte Stille, ich lasse die Seele baumeln und fühle mich richtig wohl, Herz und Sinne ruhen entspannt. Leuchtend blaue Eisvögel, Kraniche, Kormorane, Nutrias und andere wilde Tiere lassen sich sehen. Dienstags wird in den Schleusen nicht geschleust, und ich muss das 40 Kilo schwere Kanu umtragen, was mit dem kleinen Wägelchen auch gut klappt. Hinter dem Wehr darf ich sogar einen Hauch Stromschnellen bewältigen. 20 Kilometer später bin ich an der Schleuse im schönen Städtchen Laucha und werde schon vom Kanuverleiher und meinem Fahrrad empfangen. Das Team vom Kanuverleih Nebra/Karsdorf ist einfach spitze. Eine wichtige Disziplin im Unstruttal sind die Weinberge und ich fahre mal einen rauf. Wow, die Aussicht und stramme Wade sind gerechter Lohn. Nach Biergarten und Bockwurst radle ich gemütlich zur Arche Nebra, die futuristisch am Berghang thront. Im kleinen Planetarium wird ein Film gezeigt und im gemütlichen Sessel in dezenter Musik, überraschte mich eine bodenlose Müdigkeit und ich bin, du liebe Güte, einfach eingeschlafen. Naja, hoffentlich habe ich nicht geschnarcht. Nachdem Abendessen wandere ich noch zu meinem Lieblingsplätzchen über der Felswand, zwei Bierchen im Rucksack. Im letzten Sonnenschein, kann ich mit der Welt und mir zufrieden sein.

Der nächste Tag ist in wenige Sätzen erzählt. Opulent Frühstücken auf der Schlossterrasse, mit dem Verbundticket (21 €) über Naumburg, Jena, Erfurt nach Ilmenau die Bahn nutzen und da nie Busse fahren, wenn man sie braucht, den Ilmradweg zum Rennsteig radeln. Anschließend habe ich geduscht, Kaffee getrunken und kurze Zeit später die Klöße gebrüht, damit die Rennsteigwanderer was zum schwärmen haben.


Fazit: Zwei freie Tage können manchmal fast ein kleiner Urlaub sein. Herzlichst Ulli. PS: Ich weiß, es ist nicht mehr Thüringen, aber das Wasser der Unstrut kam eindeutig aus Thüringen und ich auch. 🙂


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