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14. ... durch gallische Dörfer nach Nancy

Das normale Frühstück in Frankreich besteht aus einem Croissant und (heute) einem Kaffeegetränk. 

Butter und Marmelade sind da eigentlich fehl am Platz und wohl eher ein Zugeständnis an Leute wie mich. Eine weitere Zugabe ist ein Pain au chocolat (Schokoladengebäck). Gut für den Appetit, für meine Waden reicht das nicht. Und, wenn ich Kaffeegetränk schreibe, dann hat das auch Gründe. Der Frühstücksraum blickt zur Mosel und auf Bindfäden die vom grauen Himmel kommen. Ich hole mir noch eine Tasse Kaffeegetränk und beobachte wie ein kleines helles Fleckchen immer blauer wird. Dass ich später die Regensachen überziehe, erweist sich schnell als Blödsinn. 

 

Heute möchte ich nach Nancy, auch das hat wichtige Gründe. Die Promenade Hildegard führt mich aus der Stadt hinaus und ich komme durch Ortschaften mit richtig schönen Namen. In Ancy-sur-Moselle finde ich eine Boulangerie die auch sonntags öffnet. Dank der Eclairs und dem Rosinenbaguette überlebe ich die nächsten Kilometer. Dann geht der Weg in einen nichtendenden, stillgelegten Bahndamm mit glitschige Schwellen und nassen Wurzelwerk über. Was Solls, ich habe doch ein MtB. Letztendlich verirre ich mich im Wirrwarr tausender Tümpel, matschiger Wege und grüner Wildnis. Mein Navy hat seit dem Hunsrück friedlich im Rucksack geschlummert und das Akku aufgeladen hat auch keiner. Es ist Sonntag und seit gefühlten Stunden sehe ich keine Menschenseele. Dafür sehe ich die kleine schmale Treppe, die zu dem alten Bahnsteig führt!

 

Ich sehe sie zum zweiten Mal. Wann war das? Eine halbe Stunde? Panik? Von Panik keine Spur. Es ist der letzte Tag für dieses Jahr, aber mit Sicherheit nicht der letzte Tag dieser Reise. Beginnen hier und jetzt schon Umstrukturierungen in der Gedankenwelt. Übermorgen gehe ich wieder meinem Broterwerb  nach und werde den täglichen Wahnsinn verstehen müssen. Seit meiner Alpenüberquerung vor acht Jahren, war das der erste Urlaub im Sommer. Die Gastronomie hatte für solche Nebensächlichkeiten immer den November oder April vorgesehen, und ich habe es zugelassen. Immer im Interesse des Unternehmens (unterbezahlt und monatelang ohne Lohn) und doch ging es Pleite. Welch Glück!  J  Von wegen, Träume lassen sich nicht mit der Realität vereinbaren.  Die Zukunft beginnt, gedanklich gesehen, ja bereits heute. Sie beginnt jetzt! Ich könnte noch stundenlang in der Gegend rumirren.

 

Es dauert schon ein paar Schweißperlen bis ich in Port-á-Mousson die Mosel und den rechten Weg wiederfinde. In Dieuloard möchte der Jakobsweg weiter nach Toul. Ich nicht! Kurz hinter Pompey gerate ich in eine Schlägerei. Asterix und Obelix verhauen die Römer und ich bin froh, dass ich einen Helm aufhabe. Ein Zaubertrank wäre gut! Später finde ich kaputte Autos und den Radweg nach Nancy. 

 

Welch ein Glück, das der König von Polen Stanislas Leszczynski, 1737 auch Herzog von Lothringen wurde. Denn nur dadurch, stehe ich plötzlich auf einen der schönsten Plätze der Welt, dem Place Stanislas. Traumhaft! Traumhaft auch die Parkanlagen. In einem Pavillon steht ein Flügel und ein Virtuose erinnert an Richard Clayderman. Bis zum Abend wird noch soooo viel entdeckt. 

 

Pünktlich um 20.11 Uhr verlässt der Zug den Bahnhof und rattert den Vogesen zu. In Strasbourg muss ich umsteigen und im letzten Licht des Tages geht es bei Kehl über den Rhein. In Offenburg finde ich die richtige Stelle am Bahnsteig. Noch ein bissel Stress beim Fahrradverladen und der Sitzplatzsuche, und schon finde ich mich in einer lustigen Schweizer Truppe wieder.  Es gibt Aperol Spritz zur Begrüßung. Die Jungs und Mädels sind via Interrail nach Prag unterwegs. Bis Fulda kann man die Bahnreise ruhig als Party bezeichnen. Dadurch hätte ich Erfurt fast verschlafen. Die Bahnreise hatte ich vor einem Vierteljahr telefonisch für 29 € + 10 € Radreservierung + 4,50 € Sitzplatzreservierung bei einer freundlichen Mitarbeiterin gebucht. Meine Lieblingstochter (Hab ja nur Eine, eine ganz Liebe!) holt mich vom Bahnhof ab. Um 6.00 Uhr stehe ich vor meiner Garage im ersten Tageslicht. Zwei Stunden später und 14 Tage früher bin ich von genau hier gestartet. Es gibt schon ein paar Sachen auf die ich stolz sein kann, diese Reise gehört zweifellos dazu. Die Erlebnisse nimmt mir keiner mehr. 

 

Fazit: Es dauert zwar ein bissel, aber am 30. Mai 2016 geht es weiter. Juhu!


Alle Etappen vom Jakobsweg findet ihr hier: https://www.ulliunterwegs.de/jakobsweg/


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