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5. ... auf der Via Regia, zum Froschkönig und Kaiser Barbarossa - von Schlüchtern nach Gelnhausen

Als die Sonne am Morgen in den Himmel steigt, ist dieser ohne Wolken und blau. Der fünfte Tag meiner Reise, gerät zunehmend unter Hochdruckeinfluss. 

 

Doch bevor ich in den Tag schreiten kann, bekomme ich eine Lehrunterweisung rund ums Wasser. Mir wird die Dringlichkeit einer Osmose-Anlage in allen wichtigen Details erklärt und die Übung erfüllt ihren Zweck. Während ich das Rad aus der Scheune hole, werden alle meine Flaschen mit lebendigen Wasser gefüllt. Lebendiges Wasser? Ich will Kaffee! Ich würde ein ganzes Königreich dafür hergeben und tue es auch.

 

Das Königreich Flieden verschwindet hinter Feldern und ich finde paradiesische Verhältnisse vor. Eine Bäckerei mit zwei Tischen in der Sonne. Herrlich! Herrlich denkt auch ein Mensch, der zu hundert Prozent einem Heimatfilm der fünfziger Jahre entstiegen ist. Das Schweizer Original kommt mit abgewetzter Cordbundhose und karierten Hemd daher und ist visuell eindeutig Heidis Großopa. Noch verrückter das Gefährt, ein Trecker mit blaubemaltem Bauwagen. (Foto unten) Dieser Mensch will mit 6 km/h Deutschland von Füssen bis Flensburg durchpflügen. Ich mag ihn auf Anhieb. 

 

Zur Bäckerei gehört auch eine Stadt, die sich Schlüchtern nennt. Ein hübsches Städtchen mit einem Kloster, dass jetzt Gymnasium ist. Musikgymnasium genauer gesagt und das speziell für Klavier und Orgel. Das ist wirklich nicht zu überhören.

Außerhalb der Stadt sehe ich schon von weiten eine Jakobsmuschel, diesmal nicht als Richtungsweiser am Baum, diesmal hellleuchtend am Rucksack einer Pilgerin. Die rüstige Sächsin ist in Görlitz gestartet und möchte in diesem Jahr bis Frankfurt pilgern. Auch eine Etappenpilgerin! Es entsteht ein nettes Gespräch und wir verabschieden uns mit dem. „Buen Camino!“

 

Bei so schönen Wetter lassen sich die herrlichsten Beobachtungen anstellen. Wiesen mit Kühen, Wiesen mit Pferden, Wiesen mit Störchen. Buntes Blütenmeer, bunte Insekten. Sogar das Taubenschwänzchen lässt sich sehen. Mehrfach versuche ich den Kolibri, der ein Schmetterling ist zu fotografieren. Ich kriege es nicht hin.


Gedanken den Weg betreffend:  Mein Job bedeutet oft Stress bis zum Anschlag, so kommt es auch mal vor, sollte sich die Gelegenheit bieten, dass ich das Geschäft anderen überlasse und ich mich im Abwasch verkrieche. Zwar Arbeit ohne Ende, aber ich muss nicht denken dabei. Heute gelingt es mir stellenweise richtig runter zu fahren. Wirklich! 


Kurz vor dem Märchenland wird Meister Adebar immer fleißiger.


Gedanken die Störche betreffend: Zoobesuch mit meiner Lieblingstochter (hab nur eine J) vor über 20 Jahren. Ich: „Komm lass uns noch zu den Störchen gehen!“ Kind: „Papa, Störche gibt es doch gar nicht!“ Ist das Aufklärung? 


Den Einwohnern von Steinau an der Straße möchte ich gerne ein Kompliment machen. Ihr Städtchen gefällt mir wirklich gut. Liebevoll bewahrte Häuser, eine Burg mit vielen Details und der Erdbeerjoghurtkuchen ist ein Gedicht. Kein Wunder, das die Brüder Grimm von hier aus in die Märchenwelt aufbrachen. Das Museum im Grimm’schen Geburtshaus lässt wieder an meine Tochter denken. Es gab wirklich die Zeit, dass ich ihr wenn möglich, ein Märchen mit in die Träume schickte. Mein Kind ist heute 26 und hat die Märchen der Gebrüder Grimm, gleich neben Kafka im Regal stehen.  http://www.brueder-grimm-haus.de/grimm.html

 

Im Vorgarten des Museums ist gleich neben dem Froschkönig, eine 30 Meter lange Rekonstruktion der Via Regia zu sehen. Es ist die Straße der Könige, die der Stadt Steinau an der Straße auch den Namen gibt. Wenn ich das Pflaster so sehe, habe ich mächtige Zweifel an der weiteren Wegführung. Kurz hinter Steinau geht es anspruchsvolle Meter hinauf in das Vogelbergmassiv. Nicht, dass mir das heute etwas ausmachen könnte. (Heute könnte ich den Frauenwälder Steilhang mit einem Boot rauf rudern. Vielleicht gibt es auch den einen Frauenwälder Leser, der das einschätzen mag.) Nach einem Aussichtspunkt geht es wieder hinunter zur Kinzig und ich glaube ein lokaler Tourismusmensch hat es einfach nur gut gemeint. Egal! Heute ist eh nicht der Tag für schnelles Reisen. 

 

Apropos schnelles Reisen! Am Kinzigstausee überhole ich einen Radfahrer, da ich aber oft fotografiere, überholt er mich und ich dann wieder ihn. Das geht so eine Weile. Beim vierten oder fünften Mal lädt er mich spontan zu einen Kaffee ein.  Beim Stachelbeerkuchen im mondänen Kurort Bad Soden-Salmünster sprechen wir über Todolisten und Defizitkammern. Ich rate ihm einfach loszufahren und er rät mir dringendst den Jakobsweg zu verlassen. Ich muss mir unbedingt die Altstadt von Gelnhausen anschauen. Das mache ich. 

In der Barbarossastadt gibt es umrahmt von sehenswerten Fachwerk einen Unter- und einen Obermarkt. Wie es sich für echte Märkte gehört, ist gerade Wochenmarkt. Um diese Zeit gerade in Auflösung begriffen, aber für eine Backfischsemmel ist es noch nicht zu spät. Die Stadt ist voller Leben und Geschichte, ich entdecke die örtliche Elle und späte Romanik. Wahrscheinlich hat der Staufer wegen so einer leckeren Backfischsemmel diese Stadt gegründet. Danke unbekannter Radfahrer! 

 

Zimmersuche! Da heute mein Kuchentag ist, wird die Aufgabe bei einem Stückchen Rhabarberkuchen erledigt. Meine Frage nach einer preiswerten Pension kann die nette Verkäuferin in der Bäckerei nicht beantworten. Sie setzt aber eine regelrechte Hilfskampagne ins Leben. Bald stehen verschiedenste Leute an meinem Tisch und geben ihre Empfehlungen ab. „Sie sind ein reichlich verrückter Kerl!“ sagt eine ältere Dame zu meiner Radreise und empfiehlt das Gasthaus zum „Schwarzen Adler“ in Neuhof an den Gruben. Sie bringe zu jeder Familienfeier ihre Gäste dort unter. Schöne Zimmer, Gute Preise, Gute Küche. So ist es dann auch. (40 € mit Frühstück, das historische Gasthaus hat keine Web-Site)

Weil wir gerade bei verrückten Kerlen sind. Im Biergarten und beim ersten Glas Apfelwein in meinem Leben (wirklich), lerne ich einen Ex-Thüringer, besser gesagt einen Ex-Crawinkler, kennen. In Crawinkel habe ich einen guten Freund und die Beiden sind in der Schule in einer Klasse gewesen. Ach du kleine Welt! Jetzt wird es aber wirklich verrückt. Er ist hin und wieder Cowboy auf der Lämmerberg Ranch und sie planen für das nächste Jahr einen Ritt über die Alpen. Heute weiß ich, sie haben es getan. http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Sieben-Cowboys-aus-Crawinkel-reiten-ab-Freitag-ueber-die-Alpen-1084055876

 

Im Garten ist später jeder Tisch belegt und ich lerne noch mehr Leute kennen. Aus dem Glas Apfelwein werden fünf und ich schreibe wirres Zeug in das Tagebuch. Als ich viel später die Stufen zu meinem Zimmer ersteige, denke ich: „Wenn ich ein Ticket für eine Wiederholung des Tages kaufen könnte, ich würde es tun.“

                      

Fazit: Nur Verrückte und die Jugend, wie das Alter, trinkt Apfelwein von Walter. 


Alle Tage findet ihr hier: https://www.ulliunterwegs.de/jakobsweg/

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